Vereinsgeschichte

1884 – 1984

Aus der einhundertjährigen Geschichte des
Knappen- und Unterstützungsvereins „Glück Auf“ Herbede

von Bruno J. Sobotka
1984 (aus der Festschrift anlässlich des l00-jährigen Bestehens des Knappen- und Unterstützungsvereins“Glück Auf“ Herbede

1984, das Jahr, für das George Orwell die völlige Zerstörung des Menschen durch ein totalitäres Regime vorausgesagt hatte. Die ersten Wochen und Monate liegen hinter uns. Was haben sie uns gebracht? In den Vereinigten Staaten erklärt Präsident Ro¬nald Reagen seine Absicht, ein zweites Mai bei der anstehenden Wahl für die Präsidentschaft zu kandidieren. Nach dem Tod des sowjetischen Staatsoberhauptes
Juri Andropow wählt das Zentral¬komitee der Kommunistischen Partei Konstantin Tschernenko zum neuen Generalsekretär. An der unnachgiebigen Haltung der bri¬tischen Premierministerin Margret Thatcher scheitert der Gipfel der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel. Nach über zehn Jahren reist mit Helmut Kohl erstmals wieder ein deutscher Bundes¬kanzler nach Israel. Mit einer totalen Blockade der Brennerautobahn machen Tausende von Lastkraftwagenfahrern auf die Missstände bei der Grenzabfertigung zwischen Italien und Österreich aufmerksam. Zur Durchsetzung von Lohnforderungen streiken rund 80 % der Bergleute in den staatlichen Kohlegruben Großbritanniens.
20.000 Bauern demonstrieren in Dortmund gegen die Agrarbe¬schlüsse der Europäischen Gemeinschaft. In Tübingen zeigt die Kunsthalle die umfangreichste Schau mit Arbeiten des franzb-sischen Impressionisten Edgar Degas, die je in Deutschland zu sehen waren. In Stuttgart wird der Anbau der Neuen Staatsgalerie, der 85 Millionen DM gekostet hat, der öffentlichkeit übergeben. Nach 40 Jahren können erste Besucher das ehemalige Verkehrs¬museum der alten Reichshauptstadt im ehemaligen Hamburger Bahnhof in West-Berlin besichtigen. Der Bochumer Schauspieldirektor Claus Peymann akzeptiert ein Angebot, die Intendanz des Wiener Burgtheaters zu übernehmen. In Witten wird weiter an den Plänen für die Erweiterungen des Saalbaues und des Märkischen Museums gearbeitet. Durch eine großangelegte Begrünungsaktion, unter anderem auf der Gelände hinter dem Saalbau, soll Witten noch attraktiver werden. Das Zentrum Herbedes, die Meesmannstraße, wird in eine Fußgängerzone umgewandelt. Nach zweijähri¬ger Renovierungszeit wird in der ehemaligen königlichen Domäne Schulte Saldenberg ein Restaurant eröffnet. Auch am ehemaligen Rittersitz Haus Herbede beginnen Restaurierungsmaßnahmen. Zur besseren Erschließung der Rundwanderwege um den Kemnader Stausee wird an der traditionellen Stelle der alten Herbeder Brücke die Lake-Brücke errichtet. Am 9. Juni 1984 feiert der Knappen- und Unterstützungsverein “Glück Auf Herbede“ sein einhundertjähriges Bestehen.

1884
Bevor wir uns nun der Geschichte des Knappenvereins Glück Auf zuwenden, werfen wir zunächst einen Blick auf die Geschehnisse des Jahres 1884. das Gründungsjahr unseres Jubilars. In Polen findet das Drei-Kaiser—Treffen zwischen dem deutschen Kaiser Wilhelm 1., dem österreichischen Kaiser Franz Joseph 1. und dem russischen Zaren Alexander III. statt. Das Deutsche Reich beginnt mit seiner Kolonialpolitik; die Gesellschaft für deutsche Kolonisation und Errichtung von deutschen Kolonien < Deutsch – Südwestafrika , Togo, Kamerun, Deutsch-Neuguinea und Ostafrika> wird gegründet. In England wird eine Parlamentsreform durchgeführt, wodurch die Wohnungsinhaber der Landge¬meinden das Wahlrecht erhalten; hierdurch werden auch die Landarbeiter und Bergleute wahlberechtigt. Der böhmische Landtag erhält eine tschechische Mehrheit. In Deutschland tritt das Unfallversicherungsgesetz in Kraft. Die Politiker Theodor Heuss und Carl Friedrich Gördeler (gestorben 1945) werden geboren. Zahlreiche Erfindungen werden gemacht und Neu¬erungen eingeführt: H.B. de Chardonnet stellt Kunstseide aus Nitrozellulose her; R. und M. Mannesmann beginnen mit Versuchen zur Herstellung nahtloser Rohre durch Schrägwalzen; N.A. Otto setzt für seinen Gasmotor eine magnetische Abreißzündung ein; Ci. A. Parsons baut seine erste Oberdruckdampfmaschine; Kon¬struktion der ersten zuverlässigen Setzmaschine (Linotype) durch 0. Mergenthaler; Einführung des Torpedos bei der deutschen Kriegsmarine; Konstruktion eines Maschinengewehrs durch H. Maxim, das den Rückstoß zum Neuladen ausnutzt; 13. Eastman erfindet den Rollfilm; P. Nipkow erfindet die nach ihm benannte Spiral¬hochscheibe zum Zeilenweisen Abtasten von Bildern; A. und 1..]. Lumi€re stellen Bromsilberplatten mit bisher unerreichter Empfindlichkeit her. Folgende Wissenschaftler werden geboren bzw. versterben: der deutsche Chemiker und Industrielle Frie¬drich Bergius (gestorben 1949); der deutsche Physiker Hans Busch . Folgende Werke der Weltliteratur werden herausgebracht:
“Die Wildente“ von Henrik Ibsen, “Kuckleberry Finns Abenteuer“ von Mark Twain, “Miss Harriett‘ von Guy de Maupassant, “Mit Feuer Schwert‘ von Henryk Sienkiewicz. In Deutschland werden die Maler Karl Schmidt -Rotluff und Max Beckmann geboren; in Italien erblickt der Maler und Bildhauer Amedeo Modigliani (gestorben 1920) das Licht der Welt. Es ster¬ben der deutsche Maler und Grafiker Ludwig Richter (geboren 1803) und der österreichische Maler Hans Makart (geboren 1840). Einige unvergleichliche Werke der europäischen Malerei entstehen:. “Morgen“ von Edvard Munch, “Montmartre“ von Paul Signac, “Die Büglerinnen“ von Edgar Degas, “Mädchen mit Puppe“ von James Ensor, “Der Weber“ von Vincent van Gogh, “Der Bettelmusikant“ von Carl Spitzweg, “Zorniger Krieger‘ von Ferdinand Hodler.
Gemäß dem Verwaltungsbericht der Stadt Witten sieht die Geschäfts¬lage der Stadt wie folgt aus. ‘Leidlich genügende Gelegenheit zur Beschäftigung der vorhandenen Arbeitskräfte, aber durch Oberproduktion hervorgerufener unzureichender Verdienst der Betriebs-Unternehmer“. Der Vorsitzende des Magistrats-Kollegiums ist der Bürgermeister Bürkner. Witten zählt 23.183.Einwohner, davon 16.462 evangelische, 6.145 römisch-katholische, 179 Altkatholische, 363 Israeliten und 37 Dissidenten. Die vier größten Arbeitgeber der Stadt sind: 1. die Hauptwerkstätte der Bergisch- Märkischen Eisenbahn mit1.703Beschäftigten,
2.dasGußstahlwerk Witten mit 700 Beschäftigten, 3. die Zeche Franziska mit 592 Beschäftigten und 4. die Glasfabrik Gebrüder Müllensiefen mit 324 Beschäftigten.
5.812 Schüler werden an den Wittener Schulen unterrichtet, davon 171 am Realgymnasium, 70 an der Städtischen höheren Töchterschule, 3.383 an der Städtischen evangelischen Volksschule, 37 an der Städtischen jüdischen Volksschule, 26 an der Städtischen alt-katholischen Volksschule, 1.398 an der Städtischen katholischen Volksschule und 727 an der Gewerblichen Fortbildungsschule zu Witten. 292 Personen werden im Laufe des Jahres verhaftet, darunter 80 wegen Obdachlosigkeit, 71 wegen Bettelns und 37 wegen Diebstahls.
Die Gemeinden Durchholz (941 Einwohner>, Ostherbede 1.071 Ein¬wohner>, Vormholz >1.242 Einwohner) und Westherbede (1.958 Ein¬wohner) gehören zum Amt Blankenstein, das der Amtmann Blumbach verwaltet. Die evangelische Kirche hat zwei Pfarrstellen, die die Pfarrer Kienecker und Engeling innehaben. Bei der katholischen Kirche tritt der Vikar Johannes Wächter aus Paderborn seinen Dienst an. In unmittelbarer Nähe der beiden Kirchen gibt es je eine konfessionelle Volksschule. Weitere evangelische Schulen finden wir in den benachbarten Gemeinden Durchholz, Vormholz, Westherbede-Kämpen, Borttnerholz und Heven. Die Haupterwerbs¬zweige sind neben dem Handwerk und dem Bergbau vor allem die Landwirtschaft. Von Bedeutung für dieses Gebiet sind das Walz¬- und Hammerwerk der Firma Friedrich Lohmann, die Ruhrtal -Brauerei Fr. Brinkmann und vier Brennereien: die Kornbranntweinbrennerei Frahne, die Brennerei Köllermann, die Kornbranntweinbrennerei und Likörfabrik Sonnenschein und der Brennereibetrieb Tiggemann.

In der “Hattinger Zeitung“ vom 13.11.1884 ist zu lesen:

Bommern, 9.Novbr.

Nach langer mühevoller Arbeit ist nun der Querschlag, welcher die Zechen ‘Nachtigall‘ und ‘Helene Tiefbau‘ verbindet, fertig gestellt und konnten sich gestern die Arbeiter gegenseitig die Hände reichen. Die Berechnung, nach welcher der Tunnel angelegt war, war so genau, dass man, da man denselben von beiden Seiten in Angriff genommen, genau auf der berechneten Stelle zusammen kam.
Kanonendonner von der Halde der Zeche ‘Helene Tiefbau’ ver¬kündete denn auch gestern vormittags dieses freudige Ereignis. Es war kein leichtes Stück Arbeit, denn der Tunnel ist über
1500 Meter lang und unter der Ruhr her getrieben. Die Kohlen der Zeche “Helene Tiefbau“ werden durch diesen Tunnel trans¬portiert und dann auf ‘Nachtigall‘ zu Tage gefördert.“
Zahlreiche Herbeder Bergleute arbeiten zu dieser Zeit auf der Zeche “Helene Tiefbau“. So ist dieser Tag auch für sie von …….?

Im Verlauf einer weiteren Versammlung kommt es dann im gleichen Jahr zur eigentlichen Gründung des Knappenvereins, Glück Auf. Das Gründungslokal Ludwig Lauterwald wird auch als Vereinslokal bestimmt. Der Gründungsvorstand sieht wie folgt aus:
1. Vor¬sitzender August Peters, 2. Vorsitzender Ludwig Lauterwald,
1.Schriftführer Hein Baum, 2. Schriftführer Wilh. Pothen.
Kassierer wird Wilhelm Stratmann, der sein Amt 25 Jahre lang ununterbrochen bekleidet. Nach einer intensiven Diskussion über die Paragraphen eines eigenen Statuts wird das Statut des
Hattinger Knappenvereins mit einigen Änderungen als eigenes angenommen. Doch die Behörden haben wiederholt Einwendungen gegen einzelne Paragraphen. Erst Ende 1885 erhält der Verein seine Genehmigung. Nach kurzer Zeit liegt das Statut in gedruckter Form vor. Außerdem wird die Anschaffung einer Verein ahne beschlossen. Den Auftrag erhält die Bonner Fahnenfabrik. Mit dem Ergebnis ist man allseits zufrieden. In der Jahres¬hauptversammlung 1886 wird beschlossen, die Feier des ersten Stiftungsfestes verbunden mit der Fahnenweihe
am 30. Mai des¬selben Jahres im Hotel Bandmann zu veranstalten. Die Weihe der neuen Fahne vollzieht Pfarrer Kienecker. Die Herbeder Bevölkerung ist begeistert von dem Fest, insbesondere von den Leistungen der Lindener Bergkapelle.
Nach einer Zeit der stetigen Weiterentwicklung des Vereins nimmt der Vorstand die Interessen der Mitglieder auch bei über¬örtlichen Veranstaltungen wahr. So finden wir als Vertreter des Knappenvereins auf einer Versammlung im Dortmunder Börsensaal am 19. August 1888 den Kassierer Wilh. Stratmann und den 1.Schriftführer Hein Daum. Die Versammlung wird geleitet durch die all¬seits bekannten Kaiserdelegierten Schröder, Bunte und Siegel. Die Hauptthemen sind allgemeine Knappschaftsangelegenheiten, vor allem geht es um freie Kuren für Familienangehörige und die Gründung einer Organisation auf der Basis der Knappenvereine.
Der erste Punkt scheitert an dem Widerstand der Knappschafts¬ältesten, der zweite wird verzögert und schließlich durch den Streik des Jahres 1889 und die Gründung des deutschen Bergarbeiterverbandes im gleichen Jahr überholt.
Im Sommer 1891 feiert der Verein ein größeres Fest. Die Restaura¬tion in dem eigens hierfür gebauten Zelt hat der Wirt Lauterwald übernommen. Bei strahlendem Wetter nimmt das Fest einen glänzenden Verlauf.

Durch einen Generalversammlungsbeschluß wird am 5. Oktober 1906 das bis dahin geltende Statut aufgehoben und an dessen Stelle das heute noch gültige angenommen. Zweck der Änderung ist es, unab¬hängig von der behördlichen Genehmigung die Kranken- und Sterbe¬geldsätze nach dem Stand des Vereinsvermögens festzusetzen.
Nach dem Bergarbeiterstreik des Jahres 1905 macht sich eine Anti¬partei gegen die Knappenvereine breit. Auch der Knappenverein Herbede wird hiervon nicht verschont.
Eine Einladung des Knappenvereins Heven im Jahre 1906 wird gemäß Generalversammlungsbeschluss abgesagt.
Die meisten Kameraden, die in Langendreer arbeiten, wollen das Fest nicht besuchen. Da greift die Verwaltung der Zeche Mansfeld ein. Der Vorsitzende Fr. Dördelmann wird aufge¬fordert, noch einmal über die Einladung abstimmen zu lassen. Die Kameraden bekommen von der Zechenleitung die Anweisung, die Ver¬samnlung zu besuchen und für den Festbesuch zu stimmen. Bei Zu-widerhandlung haben sie mit dem Abkehrschein zu rechnen. Wie zu erwarten, wird nun die Einladung angenommen. Verbittert kehren daraufhin viele alte Mitglieder dem Verein den Rücken. Doch ab¬gesehen von diesem Vorfall und unabhängig von Vorkommnissen in anderen Vereinen ist es oberstes Gebot des Knappenvereins, keine parteilichen oder religiösen Tendenzen zu verfolgen. Sich auf die ureigensten Aufgaben beschränkend entwickelt sich
der Knappenverein auf geradem Weg. Die Belange sind dank der eifrigen Arbeit des Vorstandes und vornehmlich der älteren Kameraden so geordnet wie nie zuvor. So können sogar 80 Mark an Sterbegeld für Mann und Frau gezahlt werden.

1914 bricht der erste Weltkrieg aus. Hierdurch fällt das 30jäh-rige Gründungsfest aus. Viele Kameraden sind eingezogen, sechs von ihnen kehren nicht mehr zurück. Durch ein Wohltätigkeits-fest im Jahr 1917 kommen so viele Spenden zusammen, dass der Ver¬ein seinen im Feindesland stehenden Kameraden kleine Unter¬stützungen zu kommen lassen kann. Zur Freude der jüngeren Kame¬raden nehmen am 35. Vereinsjubiläum 1919 noch sieben Gründungs¬mitglieder teil. Sie werden durch Ehrenjungfrauen geschmückt. Allen, die über 25 Jahre dem Verein angehören, werden Silber¬sträußchen angesteckt. Für langjährige treue Mitgliedschaft erhalten weitere Mitglieder Ehrenabzeichen. Nach der Festrede des Kameraden Beckmann geloben die Anwesenden dem Verein weitere Treue, vor allem die Bergarbeitertraditionen aufrechtzuerhalten.

Durch die Inflation des Jahres 1923 steht der Verein finanziell vor einem Nichts. Weiterhin kommt erschwerend das Versammlungs¬verbot als Folge der französischen Ruhrbesatzung hinzu. Der Verein nimmt Zuflucht in die Westherbeder Schule. In der Jahres¬hauptversammlung besteht der Kassenbestand nur noch aus nahezu wertlosem Inflationsgeld. Der Schuldiener und Kamerad Hacke, dem das Geld geschenkt werden soll, weigert sich, es anzunehmen, da er noch nicht einmal ein Päckchen Tabak dafür kaufen kann. Nach¬dem einige Mitglieder einige Millionen-Geldscheine stiften, be¬trägt am Ende der Versammlung der Kassenbestand 3 Billionen und 770 Milliarden Mark.

1924 wird die Wirtschaft Stratniann als Vereinslokal gewählt.
Doch das 40jährige Bestehen feiert der Verein 1924 bei dem Kame¬-
raden Dördelmann. Bei dieser Gelegenheit wird eine Ehrentafel für die im ersten Weltkrieg 1914—1918 gefallenen Kameraden geweiht. 1928 kehrt der Verein in sein altes Vereinslokal zurück.
Am 4. und 5. August 1934 wird das 50. Gründungsfest feierlich be¬gangen in Anwesenheit dreier noch lebender Gründungsmitglieder:
Heinrich Baum, Julius Pöthen und Arnold Lentzig. In den ersten 50 Jahren sind 127 Kameraden verstorben.
Die Feier des S5jährigen Bestehens findet im engeren Kreis des Vereins statt. Am 14. Januar 1940 werden August Rasche für seine langjährige, Wilhelm Albert und Heinrich Hippert für ihre 25jährige Mitgliedschaft geehrt. Während des zweiten Weltkrieges verzichtet der Verein auf sämtliche Festlichkeiten. Nach dem Zusammenbruch im April 1945 finden sich bereits am 8. Juli die Kameraden des Vereins wieder zusammen. Am 1. Januar 1947 beträgt die Mitglie¬derzahl nur noch 45, im Januar 1948 bereits wieder 54. Durch die Währungsreform im Sommer 1948 steht der Verein zum zweiten Mal vor dem finanziellen Nichts. Doch schon am 9. Januar 1949 beträgt der Kassenbestand wieder
300,- DM. Nach langen schweren Jahren feiert der Verein am 5. Februar 1949 sein erstes Knappenfest. Die Feier des 65jährigen Bestehens wird am 11.2.1950 nachgeholt. Das Jahr 1951 ist für Herbede von besonderer Bedeutung: Die Stadt wird 1100 Jahre alt. Festlich geschmückt in ihren alten Bergmanns-
trachten beteiligen sich auch die Knappen des Vereins an den Festveranstaltungen. Am 7. und 8. August 1954 veranstaltet der Knap¬penverein anlässlich seines 70. Gründungsjahres ein großes Fest. Sechs Brudervereine nehmen daran teil: Essen-Süd mit 10 Kameraden, Schlägel und Eisen Bochum-Stiepel mit 22 Kameraden, Hamertal mit 23 Kameraden, Bochum-Werne mit 28 Kameraden, Witten-Heven mit 22 Kameraden und Bochum-Stiepel mit 71 Kameraden und einem zünfti¬gen Musikzug. Der altbewährte Vorstand leitet die Festveranstal¬tung, die ein voller Erfolg wird. Anschließend nennt der Knappenverein Herbede 24 Bergkittel, 10 Schachthüte, 6 Grubenlampen und 5 Meterstdcke sein eigen,
In der Mitgliederversammlung am 15.4.1956 wird beschlossen, dass
der Knappenverein Mitglied des Südwestfälischen Knappenrings wird.
Zukünftig nimmt der Verein an den Jubiläumsfeiern innerhalb des
Ringes teil, so auch im Jahre 1958 an der Fahnenweihe in Hattingen.
Zu einer Jubiläumsfeier und Denkmalweihe am 22.6.1958 reist eine
Delegation des Vereins nach La Balamine in Belgien.
Sein 75jähriges Bestehen feiert der Verein am 15. und 16. August 1959 im Hansa – Hof. 14 weitere Vereine, darunter die belgischen Kameraden, nehmen an dem glanzvollsten Festzug teil, den Herbede jemals gesehen hat. Auch finanziell ist das Fest für den Verein ein besonderer Erfolg. Am 31.10.1959 wird ein großer Vereinsschrank eingeweiht, den der Schreinermeister Lothar Lauterbach angefertigt hat.
6 Bergmannslampen werden am 29.8.1961 gekauft. Die Vereinsfahne wird am 13.1.1962 der Essener Fahnenfabrik Scheerer zur Aufbereitung übergeben.
1963 nimmt der Verein an den Jubiläumsfesten in Oberstüter und Winz-Baak teil. Außerdem fahren Kameraden zum Tag der Heimat nach Wanne-Eickel und zum internationalen Bergmannstreffen nach La Balamine in Belgien, an dem sich Bergmannsvereine aus ganz Europa beteiligen. Im August 1964 feiert der Verein sein 80jähri¬ges Bestehen.

Der langjährige Vorsitzende August Naumann wird 1965 zum Ehren¬vorsitzenden gewählt. Die Leitung des Vereins als erster Vorsitzen¬der übernimt Paul Schümann. Die Bergmannsfrauen stiften eine Fahnenschleife, die von Frau Pohst und Frau Ilg feierlich an die Fahne geheftet wird. Es werden Vereinsnadeln beschafft. Die Samm¬lung des Vereins wird um 4 Tschakos erweitert. Abordnungen werden zu verschiedenen Feierlichkeiten entsandt: 30 Knappen fahren zum 80-jährigen Bestehen des Knappenvereins nach Nieder Bonsfeld, eine Kapelle besucht das Fest anlässlich des 75jährigen Jubiläums des Knappenvereins Hammertal und eine 10 Mann starke Fahnenabordnung
beteiligt sich an dem Fest des 70jährigen Geburtstages von West¬falia Langendreer. 1966 besuchen Kameraden die Knappenvereine Bochum-Linden aus Anlass des 45jährigen und Holthausen des
70jährigen Bestehens.
Erstmals berichten die Protokollbücher des Vereins iiber die Teil¬nahme am Volkstrauertag. Der Kamerad Hippert übergibt dem Verein ein Akkordeon, das Herbert Kroggel in Pflege nimmt. Im Juni 1966 wird eine Fahrt ins Blaue unternommen. 1967 finden zwei Fahrten statt, eine nach Bredenscheid und eine ins Sauerland. Der Verein wählt ein neues Vereinslokal, anstelle des Hansa – Hofes ist zukünftig das Lokal Am Knäppchen. 1968 finden wir Abordnungen bei der Festveranstaltung anlässlich des 75jährigen Bestehens des Knappenvereins Oberstüter und beim Knappentreffen in La Balamine. Im Ver¬einslokal findet eine Ausstellung Unter dem Titel 1000 Jahre deutscher Bergbau statt, die die Sammlung des Blankensteiner Kame¬raden Heinrich Klotzbach zeigt. Erstmals wird der Bergmannsgottes¬dienst in Langendreer besucht.
Die Sammlung des Knappenvereins ist bis 1969 beachtlich angewach¬sen: 1 Fahne, 6 Steigerstöcke, 14 Tschakos, 3 Mützen, 37 Jacken, 8 Paar Handschuhe, 12 Lampen und 1 Hose. Zum 85. Jubiläumsfest wird die Anschaffung einer neuen Fahne beschlossen (Kaufpreis 1J4 1.800,–). Die Fahnenweihe findet am 20.9.1969 um 17 Uhr statt. Die musikalische Umrahmung liefert die Feuerwehrkapelle Hans Rosendahl. Im gleichen Jahr wird der Hansa – Hof wieder als Vereinslokal gewählt.
In 1970 werden die Knappenvereinsveranstaltungen in Niederbonsfeld, Hammertal, Heven, Langendreer und Werne besucht. Abordnungen werden zu den Jubiläumsfesten des Männergesangvereins Westfalia, Herbede, und des Schützenvereins Herbede entsandt. Eine Fahrt in die Eifel dient der Erholung. Nach langer Unterbrechung wird wieder eine Weihnachtsfeier durchgeführt. Zur Feier anlässlich des Sojährigen beteiligt sich an dem Fest des 70jährigen Geburtstages von West¬falia Langendreer. 1966 besuchen Kameraden die Knappenvereine Bochum-Linden aus Anlass des 45jährigen und Holthausen des
7ojährigen Bestehens des Knappenvereins Linden—Dahlhausen fahren 1971 viele Knappen mit ihren Frauen und eine Kapelle. Auch die Knappenvereine in Langendreer/Werne, Holthausen und Bochum/Weitrnarwerden besucht. Eine fröhliche Busfahrt führt zur Hohen Bracht. Zwei Jubiläen stehen in 1972 auf dem Programm: das 100jährige des Knappenvereins Bredenscheid und das 9ojährige des Knappenvereins Bochum-Stiepel. Außerdem kommen die Knappen mit ihren Frauen zu einem gemütlichen Beisammensein zusammen.

In 1973 wird Unmut laut. Unter anderem wird beim Kassieren von Bei¬trägen die Beschwerde vorgetragen, dass Kameraden mitlangen Haaren von einigen Mitgliedern nicht akzeptiert werden und deshalb auch keine jungen Leute mehr dem Verein beitreten wollen. Zwei Veranstal¬tungen bestimmen den Ablauf des Jahres 1973:das Knappenfest in Ober¬stüter und ein gemütlicher Abend. Mit Tanz und einer Tombola wird 1974 das 9ojährige Bestehen des Knappenvereins gefeiert. Außerdem fährt eine Abordnung zum Knappenfest nach Winz-Baak.1975 stehen zwei Punkte auf dem Programm des Knappenvereins: zunächst wird eine Fahrt ins Blaue unternommen und weiterhin reist eine Ab¬ordnung zu einer Denkmalsfeier nach Welper. l5 Knappen begeben sich 1977 zu einem Fest nach Stiepel.

Die Versicherung für die Schränke läuft aus, sie wird auf weitere SJahre verlängert. Eine engere Zu-sammenarbeit mit dem Knappenverein Herbede wünscht sich der Knappenverein Heven. Zusammen mit den Frauen wird im Dezember l977ein gemütlicher Abend durchgeführt. 1978 beträgt die Mitgliederzahl 78. An zwei Festen beteiligt sich in diesem Jahr der Verein: Veranstal¬tung des SPD-Ortsvereins Herbede und 85-Jahrfeier des Knappenvereins Qberstüter. Als Zeichen ihrer Würde erhalten die Fahnenträger eine Silbernadel.

1979 erreicht den Verein folgende Nachricht von Vorstand des Knappen¬vereins Heven: “Der Knappenverein Heven möchte mit dem Herbeder Kontakt aufnehmen. Der engere Vorstand des Knappenvereins Herbede möchte im März 1979 zu einer Versammlung nach Heven kommen.“
Außerdem werden die Mitglieder des Knappenvereins Herbede ausdrücklich gelobt, und es wird bestätigt, daß der Knappenverein Herbede ein stolzer Verein ist und überall gut auftreten kann. Zum Volkstrau¬ertag 1979 stiftet der Verein einen Kranz, der mit Fahnen und großem Aufmarsch am Ehrenmal in Herbede niedergelegt wird. Mit einem großartigen Fest wird das 95jährige Bestehen des Vereins im April 1979 im Hansa-Hof gefeiert. Außerdem wird das Fest anläßlich des 40jährigen Jubiläums des Süd-Westfälischen Knappenringes in Sprockhövel besucht. Neben einem gemütlichen Beisammensein werden in 1979 sechs, in den sonstigen Jahren höchstens 5 Versammlungen abgehalten.

1980 werden die Knappenfeste im Hammertal, in Linden/Dahlhausen und Holthausen besucht. Ein Ausflug führt dieses Mal ins Münsterland. In einer Versammlung wird darüber debattiert, ob zukünftig Ärmelstreifen mit der Aufschrift “Herbede“ getragen werden sollen. Der Vorschlag findet allgemeine Zustimmung. Die Verhandlungen mit der Stadt Witten in 1980 läuten eine neue Ära in der Aufgabenstellung des Vereins ein. Von nun an werden Mitglieder des Knappenvereins Besucher durch das Muttental führen. Schon 1981 nehmen die Führun¬gen erheblich zu. Abwechslung in das tägliche Einerlei bringt ein Seniorennachmittag. Eine fröhliche Fahrt ins Bergische Land findet ihren Abschluß in der Gaststätte “Zum Schöntal“ bei Apel. Die Knap-penvereine Linden/Dahlhausen und Holthausen kommen zu Besuch. Der Verein selbst nimmt in Kitteln am Schützenfest in Herbede teil. Fast revolutionär mutet es an, daß in 1981 die ersten Frauen als Mitglieder in den Verein aufgenommen werden.

Drei Veranstaltungen bestimmen den Ablauf des Jahres 1982:
das Knappenfest in Stiepel, die Barbarafeier in Sprockhbvel und die Feier zum Volkstrauertag.

Die Führungen durch das Muttental nehmen erheblich zu. Von 1983 an werden sie nahezu täglich durchge¬führt. Die Zusammenarbeit zwischen dem Knappenverein und dem 1982 gegründeten Förderverein Bergbauhistorischer Stätten Südliches Ruhrgebiet e.V. Witten, wird insbesondere durch die gemeinsame Beteiligung an den Veranstaltungen auf dem Zechengelände Nachti¬gall anläßlich des Museumszugverkehrs immer enger geknüpft.
Allmählich beginnen die Vorbereitungen für die Festlichkeiten anläßlich des 100jährigen Bestehens des Vereins, die ihren Höhe¬punkt in einer Festveranstaltung am 9. Juni 1984 im Hansahof finden.

Einhundert Jahre sind an uns vorübergezogen. Einhundert Jahre Ver¬einsgeschichte angefüllt mit vielen Sorgen und Nöten, vor allem während der Zeit der beiden Weltkriege, angefüllt aber auch mit gemeinsamen Erleben, mit Geselligkeit und mit der Wahrung bergmännischer Tradition. Was das zweite Jahrhundert bringen wird, wissen wir alle nicht. Eine Aufgabe stellt sich dem Verein jedoch auch für die Zukunft: in dem bisherigen Geist weiterzumachen, damit auch kommende Generationen den unge¬brochenen, starken Geist dieser einstmals so wichtigen Berg¬bauregion kennenlernen und mittragen können.